02.04.2024
Schon immer da: Das Eldorado-Kino
Unsere kleinen Zeitreisen durch die Institutionen des Frankfurter Stadtlebens haben uns schon durch diverse Traditionsläden und -cafés geführt. Nach ehrlichem Handwerk und wunderbaren Kuchenträumen geht es diesmal auf die große Leinwand. Das Eldorado in der Schäfergasse ist das älteste Kino der Stadt und zeigt nicht nur regelmäßig große und kleine Geschichten, sondern hat auch selbst eine lange Historie zu erzählen. Wir sind dem Ruf aus Hollywood gefolgt und haben dem kleinen Filmtheater einen Besuch abgestattet.
Schäfergasse 29 | Frankfurt Innenstadt | @arthousekinosfrankfurt
Nicht nur die nostalgische Anzeigetafel über dem Eingang des Eldorado bringt uns sofort in Kinostimmung. Auch der charakteristische Popcornduft im Foyer versetzt uns direkt in Filmabendlaune. „Nach einer Zeit riecht man das schon gar nicht mehr“, lacht Laurenz Mitzam, als er uns die Tür öffnet. Laurenz ist die Theaterleitung des Eldorado und des Cinéma, Assistenz der Geschäftsleitung der Arthouse Kinos und unser Reiseleiter auf der heutigen Zeitreise.
Vorhang auf
Unter dem Namen „Scala“ öffnete das Eldorado 1912 seine Pforten und erlebte besonders in den Goldenen Zwanzigern eine Blütezeit. An den ursprünglichen Namen erinnert heute noch das gleichnamige Hotel direkt nebenan. Einige Kriegszerstörungen und Betreiberwechsel später übernahm schließlich die Familie Jäger, Betreiber der E-Kinos, das Traditionshaus und verpasste ihm den wohlklingenden heutigen Namen – betriebsbedingt natürlich beginnend mit „E“. 2021 gab die Familie das Eldorado schweren Herzens ab, wodurch es kurzzeitig von der Schließung bedroht war. Als Retter in der cineastischen Not nahm schließlich der Verbund der Arthouse Kinos Frankfurt das Eldorado – neben der Harmonie am Lokalbahnhof und dem Cinéma an der Hauptwache – als Dritten im Kinobunde auf. „Wir haben das Eldorado als Kino quasi gerettet. Sonst wäre es jetzt vielleicht ein Club oder eine Bar“, erzählt Laurenz.
Heute begeistert das kleine Filmtheater am Klaus-Mann-Platz in seinem Saal regelmäßig 198 Zuschauer:innen mit etwa drei Vorstellungen am Tag und einigen Sondervorstellungen. Es werden natürlich die großen Werke des Arthouse Kinos gezeigt, Festivalgewinner aus Cannes oder Venedig, deutsche Filme und Crossover-Stücke. Seit einem Jahr ist das Eldorado außerdem das „OmU“- und Festival-Haus des Kino-Trios. Daher ist es Gastgeber für viele internationale Filme mit Untertiteln und Filmfestivals, wie das japanische Nippon Festival, das koreanische Project K, das LICHTER Filmfest sowie das griechische und das irische Filmfestival.
Großes Kino
Zwar kann das Eldorado glamourtechnisch nicht ganz an die goldenen Vorkriegszeiten anknüpfen, trotzdem ist in dem kleinen Kult-Kino immer etwas los. Es finden Schul- und Pressevorstellungen statt und zuletzt hat Sönke Wortmann seinen Film vorgestellt. 2022 war es eines von drei Kinos in Hessen, in denen der Hessische Filmpreis verliehen wurde. „Und die Barbie Party mit DJ war letztes Jahr der Renner“, ergänzt Laurenz. Barbenheimer habe die für das Kino sonst eher dürftige Sommerzeit letztes Jahr komplett auf den Kopf gestellt. „Das habe ich noch nie erlebt!“, erzählt Laurenz weiter – und er muss es wissen. Nicht nur ist er selbst seit 2021 Theaterleiter im Eldorado, er kommt auch aus einer wahren Kinofamilie und hat das Flimmern quasi im Blut.
Besonders schön findet er allerdings ihre Silvester Previews. Hier werden am Abend des 31. Dezember Filme gezeigt, die erst ein paar Monate später in die Kinos kommen. Obendrauf gibt es ein Glas leckeren Crémant zum Anstoßen – auch mit Laurenz persönlich. „Gerade für Menschen, die an diesem Abend vielleicht einsam sind, ist es ein schönes Angebot“, meint er. Und die Vorstellung sei „immer voll“.
Making-of Traditionshaus
Wie für so viele im Kultur- und Gastgewerbe war Corona auch für das Eldorado-Kino eine Herausforderung und das Bestehen als Ein-Saal-Kino, in dem ein einziger Film durchgehend gezeigt werden muss, quasi unmöglich. Doch im Vergleich zum Jahr 2019, einem sehr starken Kinojahr, sind sie mit den Arthouse Kinos wieder auf Vorkrisenlevel. Allerdings dürfe man sich nicht auf seiner Tradition ausruhen, müsse permanent investieren und kreativ sein, erklärt Laurenz. „Es ist wie bei einem alten Haus, es gibt immer etwas zu renovieren.“ Das sehr graue Foyer, das sie im Stil West Hollywoods erneuert haben, versprüht jetzt mit seinen goldenen Akzenten, rosaroter Theke und Leuchtschriften wunderbaren Retro-Charme.
Letztere weisen uns den Weg in den kleinen, historischen Kinosaal. Technisch inzwischen hochmodernisiert, spürt man zwischen Plüschsesseln, malerischer Galerie und purpurnen Wandverkleidungen noch den Geist der großen alten Lichtspielhäuser. Der Saal wurde heute schon, wie jeden Morgen, herausgeputzt. Er sieht nach jeder Vorstellung anders aus – „je nachdem, wer da war“, lacht Laurenz. Die ein oder andere Schulklasse müsse als erzieherische Maßnahme hin und wieder auch selbst etwas aufräumen, wenn die Popcorntüte vor lauter Kino-Leidenschaft etwas zu weit geflogen ist.
Neues in der Hauptrolle
Dass eine lange Geschichte auch eine Herausforderung sein kann, merkt man immer dann, wenn etwas kaputtgeht. Für den defekten schwarz-glitzernden Vorhang – heutzutage sehr selten – warten sie aktuell auf eine neue Spule, „denn die wird extra hergestellt.“ Doch das charakteristische Surren, wenn sich der Vorhang öffnet und Filmgenuss verspricht, ist das Warten definitiv wert.
Auch die kulinarischen Angebote sollen im Eldorado immer etwas Besonderes sein. Neben echtem Ruinart-Champagner (Laurenz: „Noch nie bestellt!“) bieten sie zehn offene Weine, Drinks, frisches Popcorn und seit Kurzem auch Nachos an. Einige Specials stimmen sie auf die Jahreszeit ab, andere auf die jeweiligen Filme. So gibt es hausgemachten Eistee im Sommer und momentan einen besonderen „Spice“ Drink, eine Hommage an die Sanddroge aus dem aktuell laufenden Film „Dune“. Dabei legen sie besonders viel Wert auf Stil und Nachhaltigkeit. Die Nachos und Sauce kommen in Porzellan, die Getränke ausschließlich in Gläsern oder Flaschen – nur das Popcorn kommt traditionell im wahrsten Sinne des Wortes in die Tüte.
Das Wichtigste im Abspann
Während sich unsere leuchtenden Kinoaugen am Ende unseres Besuchs wieder an das Tageslicht der Schäfergasse gewöhnen, stellen wir Laurenz noch eine Frage, die förmlich jedem Filmfan unter den Nägeln brennt: Welcher ist eigentlich der beste Sitzplatz im Kino? „Sowohl Bild als auch Ton werden in jedem Kino auf die Mitte des Saals ausgerichtet“, erklärt er. Die besten Plätze sind also entgegen der verbreiteten Meinung nicht unbedingt hinten. Sein Lieblingsplatz im Eldorado? Laurenz lacht: „Reihe 4 Platz 3.“
Wir haben nach unserem kleinen Besuch wieder einmal sehr viel Lust auf einen Kinoabend bekommen und merken beim Rausgehen verwundert: Unsere Nasen haben sich leider tatsächlich an den Popcornduft gewöhnt. Ein Grund mehr, bald wieder reinzuschnuppern.