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Schon immer da: Die Bock-Apotheke

Beim gespannten Verfolgen aktueller Neueröffnungen stellen wir uns regelmäßig auch die Frage: Was war denn eigentlich schon immer da? Oft lohnt es sich, nicht nur das Neue, sondern auch das Alteingesessene, Verlässliche und Beständige zu (be-)suchen. Unsere kleinen Zeitreisen durch die Institutionen des Frankfurter Stadtlebens haben uns diesmal nach Bockenheim geführt. Dort haben wir der Bock-Apotheke – einer der ältesten ihrer Art – einen Besuch abgestattet und hatten endlich mal einen angenehmen Grund für einen Gang zur Apotheke. Habt Ihr Bock? Kommt mal mit.

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Leipziger Straße 71 | Frankfurt Bockenheim | www.bock-apotheke.de

Dass es sich bei der Bock-Apotheke um einen ganz besonderen Laden handelt, erkennen selbst die hektischsten Passanten beim Anblick des historischen Hauses auf der Leipziger Straße. Der kleine klassizistische Bau mit den Kirschbäumen steht als einzige Apotheke Frankfurts unter Denkmalschutz, genauso wie die Offizin – die Arbeitsräume mit ihren ursprünglichen Regalen –, die wir gespannt betreten und uns wie in einer anderen Welt fühlen.

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Medizinische Zeitreise

In den charmanten Holzregalen reihen sich historische Behälter an Voltaren, Grippostad und Aspirin und vermischen auf wunderbare Weise Gegenwart mit Geschichte. Letztere ist bei der Bock-Apotheke besonders lang, wie uns Geschäftsführerin und Inhaberin Annette Heinz erzählt. Sie leitet das Familienunternehmen in dritter Generation seit 1999. 1822 wurde die Apotheke auf der Leipziger Straße 71 eröffnet. Damals noch unter dem ebenfalls tierischen Namen Löwen-Apotheke. Als 1907 Bruno Bock den Laden übernahm, erhielt die Apotheke ihren heutigen Namen – nicht also durch den gleichnamigen Standort.

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Die alte Bock Apotheke im 19. Jahrhundert

Auf den Bock gekommen

Bock machte den Namen zum Programm und lieferte mit einem kleinen Leiterwagen – gezogen von einer Ziege – Medikamente aus oder fuhr Kinder spazieren. „Das war ein PR-Gag“, lacht Annette Heinz und zeigt uns das historische Foto des Bock-Wagens in ihrem Büro. 1968 kauften dann ihre Großeltern Josef und Margarethe Zweifel die Apotheke. Da sie bereits einen Laden an der Konstablerwache hatten, übergaben sie die Leitung der Bock-Apotheke an ihre Tochter und ihren Schwiegersohn Volkmar Heinz – beide Pharmazeuten und Annettes Eltern.

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Mehr als Schubladen ziehen

Heute leitet sie ein Team von etwa 20 Personen. Eigentlich sei die Personalsituation schlecht, doch sie habe keine Probleme, interessierte Mitarbeitende zu finden. „Wir bieten hier ein sehr abwechslungsreiches Umfeld“, erklärt Annette. Denn in der Apotheke seien sie weit mehr als „Schubladenzieher“. Das liegt vor allem daran, dass sie im Labor auch selbst Medikamente produzieren. Dabei haben sie sich vor allem auf Produkte spezialisiert, die industriell aus Gründen der Lukrativität nicht hergestellt werden – wie etwa Herzmedikamente für Kinder, die schwächer dosiert sein müssen als die herkömmlichen Medikamente in der Industrie. In einem ganz besonderen Bereich sind sie sogar echte Pioniere in der Herstellung.

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Razzia bei Pionieren

Die Bock-Apotheke war die erste Apotheke in Deutschland, die synthetische Cannabis-Medikamente hergestellt hat. Ende der 90er Jahre war das eine Grauzone, erklärt Annette. Auslöser war die schwere Krankheit eines Freundes ihres Studienkollegen, mit dem sie die Herstellung begann. In der Krebstherapie können Cannabis-Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen, aber auch als schonendere Alternative zu Opioiden gegen Schmerzen eingesetzt werden. Ebenso in der Schlafmedizin, bei Epilepsie oder Migräne finden sie Anwendung. Heute verkaufen sie die Medikamente ganz regulär – nur auf Rezept versteht sich. Der Start war allerdings turbulent. „Die Polizei hat damals einmal alle unsere PCs beschlagnahmt und alles durchsucht“, erinnert sich Annette. „Ich würde das heute so nicht mehr machen.“

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Die 4. Generation

Die Leidenschaft für ihre Arbeit merkt man Annette an. „Ich habe einen tollen Beruf und nie bereut, ihn gewählt zu haben.“ Während viele auf ihre Rente hinfiebern, ist sie alles andere als froh, irgendwann in den Ruhestand gehen zu müssen. „Ich interessiere mich auch privat für Pharmazie.“ Gerne würde sie das Geschäft an die vierte Generation weitergeben – denn ihre ganze Familie besteht aus Apotheker:innen. „Meine Tochter interessiert sich aktuell jedoch eher für andere Sachen“, lacht sie. Ihr Neffe allerdings habe sich für ein Pharmazie-Studium entschieden und sei ganz begeistert. Vielleicht hat er ja – Achtung – Bock?

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Bock auf Pharmazie

Ihre Leidenschaft für den Beruf an junge Leute weiterzugeben, ist Annette ein großes Anliegen. Auch ihr Vater war sehr an der Ausbildung von Pharmaziestudierenden interessiert und engagiert. Die Apotheke war und ist Aus- und Weiterbildungsstätte der Frankfurter Goethe Universität. Auch heute noch werden durchgängig Studierende nach Abschluss des universitären Teils ihres Studiums in ihrem praktischen Jahr hier ausgebildet. Das bietet sich besonders angesichts der vielfältigen pharmazeutischen Tätigkeitsfelder der Apotheke an. Neben dem Verkauf und der Arbeit im Labor versorgen sie außerdem zwei Nierenzentren, Privatpersonen sowie Pflegedienste.

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Vor Ort zählt

Annette ist davon überzeugt, dass die Apothekenlandschaft sich verändern wird und muss. Beispielsweise sei ein so hoher Numerus Clausus einfach nicht mehr zeitgemäß. „Man sollte jungen Menschen den Zugang erleichtern.“ Das diene auch dazu, die Zukunft der Branche zu sichern. Die steht bereits jetzt vor großen Herausforderungen. Die Konkurrenz der Online-Apotheken macht sich deutlich bemerkbar: Das Apothekensterben verschärft sich. Annette ist wichtig, dass die Daseinsberechtigung lokaler Apotheken anerkannt wird. „Gerade für ältere Menschen sind wir Bezugspersonen vor Ort.“ Sie spenden Rat und Trost, das gehe weit über den Verkauf hinaus. Zudem sterben sehr viele Menschen an der Wechselwirkung von verschiedenen Medikamenten, die nicht zusammen eingenommen werden dürfen. „Da ist eine Beratung in der Apotheke einfach grundlegend wichtig.“ Und auch der Apotheken-Notdienst für Ort müsse gewährleistet sein.

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Der Eindruck am Ende unseres Besuchs: Hier ist ein Team mit Herzblut bei der Sache, egal, ob im Labor oder hinter der Verkaufstheke.  Und ihre Arbeit ist so notwendig wie sinnvoll, denn: Apotheken muss es im Interesse aller immer geben. Dass es die Bock-Apotheke nun bereits über 200 Jahre gibt, finden wir wunderbar und wünschen viel Erfolg für die nächsten Jahrhunderte.

Nathalie Eirich

Gebürtig aus Darmstadt, seit mehreren Jahren Wahlfrankfurterin – und immer noch frisch verliebt in die Stadt. Leidenschaftliche Texterin, Tänzerin, Yogi, Medienkulturwissenschaftlerin und PR-Beraterin. Kochmuffel und daher Restaurantfan. Theater- und Kunstliebhaberin. Früher Vogel oder Nachteule je nach Tagesform. Reich an Sommersprossen.

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