03.02.2023
Berührende Werke: Ausstellung „Wohin ich immer reise“
Menschen, die den Holocaust er- und überlebt haben, sehen sich im Alter oft mit verdrängtem Leid aus der Vergangenheit konfrontiert, das häufig zu sozialer und psychischer Isolation führt. Das „Atelier im Treffpunkt“ bietet Überlebenden der Shoah einen geschützten Ort, an dem sie sich künstlerisch entfalten können. In Kooperation mit der Stadt Frankfurt am Main zeigt es vom 1. bis 12. Februar 2023 im Rahmen einer öffentlichen Ausstellung in den Römerhallen erstmalig beeindruckende Werke der Künstler:innen. Wir haben uns dort einmal für Euch umgesehen.
Römerhallen | Römerberg 23 | Frankfurt Innenstadt | @zwst_official
Seit 2017 gibt es das offene Atelier im „Treffpunkt für Überlebende der Shoah und ihre Angehörigen“. Der Treffpunkt wird von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) getragen und bietet einen Schutzraum, Unterstützung, psychosoziale Begleitung und Angebote zur Selbstentfaltung von Shoah-Überlebenden und ihren Familien sowie Angehörigen. Einmal pro Woche bekommen Besucher:innen des Treffpunkts – momentan sind das knapp 150 Personen – im Atelier die Möglichkeit, zu malen, zu zeichnen, mit Ton zu arbeiten oder über Kunst und Kultur zu sprechen. Leiterin ist die Frankfurter Künstlerin Aviva Kaminer.
„Als ich 2017 im ,Treffpunkt für Überlebende der Shoah und ihre Familien’ mit einer kleinen Gruppe zu malen begann, hatte ich viele Theorien und Ideen im Gepäck, die ich dort umsetzen wollte. Schnell zeigte sich jedoch, dass ich für diese besondere Gruppe etwas Neues, ganz Eigenes entwickeln musste“, sagt Aviva. Das Konzept des Ateliers hat sie in Anlehnung an das Malspiel von Arno Stern und mithilfe der Theorien und Praktiken von Edith Kramer und D.W. Winnicott gestaltet. Für viele Betroffene ist es im letzten Abschnitt ihres Lebens das erste Mal, dass sie die Möglichkeit haben, sich kreativ zu betätigen.
„Ich versuchte, vor allem einen Möglichkeitsraum zu schaffen, einen Ort, an dem Ängste sich äußern und legen dürfen und ein Spiel entstehen kann, mit Farben auf Papier – eine Erfahrung, die vielen Teilnehmer:innen der Gruppe aufgrund der Wunden, die die Shoah in ihrem Leben hinterlassen hat, nie auf diese Weise möglich gewesen war.“
– Aviva Kaminer, Leitung „Atelier im Treffpunkt“
In Anbetracht der in den meisten Fällen hochtraumatischen Biografien der Künstler:innen oder ihrer Familienmitglieder, entfaltet die kreative Arbeit innerhalb der Gruppe im „Atelier im Treffpunkt“ eine besonders positive und stabilisierende Wirkung. Dabei sind in den vergangenen Jahren zahlreiche beeindruckende und berührende Werke entstanden, die bislang nur im geschlossenen Rahmen des Treffpunktes gezeigt worden sind.
„Angesichts ihres Schicksals erwartet man Schmerz, Dunkelheit oder vielleicht sogar Verbitterung. Stattdessen begegnet man einer bunten Welt, voll Humor, Kraft und Herzenswärme.“
– Aviva Kaminer, Leitung „Atelier im Treffpunkt“
Unter dem Ausstellungstitel „Wohin ich immer reise“, angelehnt an das Gedicht „Kein Kinderlied“ von Mascha Kaléko, werden nun in Kooperation mit der Stadt Frankfurt am Main knapp 80 Arbeiten in den Römerhallen zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Anders als in dem Gedicht, enden die ganz persönlichen künstlerischen Reisen der acht ausgestellten Künstler:innen jedoch nicht im „Nirgendland“, sondern mitten im Leben.
Bei einem OPEN DOORS DAY am 05. Februar 2023 könnt Ihr die Ausstellung auch im Rahmen von öffentlichen Führungen besuchen. Die Anmeldung erfolgt unter: www.anmeldung.zwst.org/wohin-ich-immer-reise.
Die Ausstellung ist eine Veranstaltung der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland in Kooperation mit der Stadt Frankfurt am Main. Sie wird gefördert durch die Alfred Landecker Stiftung, die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, die Jüdische Gemeinde Frankfurt und die Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main.
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Ein Beitrag vom Team.