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Ein Tag im Leben von: Förster Lars

Knapp 6.000 Hektar, 250 Kilometer Wege und sechs Reviere: Der Stadtwald ist unsere grüne Lunge, Naherholungsgebiet vor den Toren Frankfurts und hauptverantwortlich für das Stadtklima. Dort als Förster:in zu arbeiten, den ganzen Tag im Wald zu verbringen und sich um Flora und Fauna zu kümmern, begleitet von Grün und Vogelgezwitscher – das klingt verlockend. Wenn das Hupen mal wieder zu laut, das Gedränge zu dicht und die Stadt zu grau ist, ist es für manchmal mehr, manchmal weniger gestresste Großstädter:innen wie uns einer dieser Traumberufe. Dass der Job genauso wunderschön ist, wie wir ihn uns vorstellen, aber in diesen Tagen so herausfordernd wie noch nie, wird uns bei unserem Besuch und im Gespräch mit Revierförster Lars schnell klar. Aber von vorne.

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Akademisches Viertel ins Grün

Warum fahren wir nicht viel öfter in den Stadtwald? Das ist die erste Frage, die wir nicht unserem Interviewpartner, sondern uns selbst stellen, als wir in sage und schreibe 15 Minuten mit dem Bus vom Trubel der Konstablerwache aus am Rande des Stadtwaldes ankommen. Genauer gesagt, im Revier Oberrad. Hier ist Lars seit 2016 als Revierförster verantwortlich. Ursprünglich kommt er aus dem Saarland und war nach dem Studium fast zehn Jahre beim Landesbetrieb Hessen-Forst tätig. An Frankfurt schätzt er die Abwechslung, die die Stadt bietet, und die unmittelbare Nähe zu einem der größten Stadtwälder Deutschlands. Mit seinem Team kümmert er sich um die Erhaltung des Waldes, den Kontakt mit den Bürger:innen und verschiedene Forschungsprojekte in seinem fast 900 Hektar großen Revier – und das möchte er uns zeigen. Wir sind gespannt und starten direkt vom Forsthaus aus ins sommerliche Grün.

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Ohne Klimaanlage wird es brenzlig

Dass die Waldidylle leider täuscht, erfahren wir, als Lars von seinen größten aktuellen Herausforderungen erzählt – und denen des Waldes. Um den Gesundheitszustand eines Waldes zu erkennen, erklärt Lars, müsse man nach oben in die Baumkronen schauen und auf dürre Äste achten. Hier sehe man die Prognose – und die sei für den Stadtwald bereits mehr als besorgniserregend. Besonders seit dem Dürrejahr 2018 gebe es fast keine gesunden Bäume mehr. Denn der Klimawandel macht sich hier bei näherem Hinsehen auf Schritt und Tritt bemerkbar. Was den Bäumen zu schaffen mache, seien die extremen Wetter- und Wasserverhältnisse von Dürre bis Hochwasser. Auch der Sandboden sei hier ein Problem und das Aufkommen von Schädlingen und Pilzen, die die stark immungeschwächten Bäume zersetzen. Für viele Bäume kommt jede Hilfe zu spät. Wird hier nichts getan, werden wir auf gar nicht so lange Sicht den Wald verlieren. Und das dürfe man nicht riskieren, denn er sei Kühlung und Luftfilter der Stadt – ohne ihn wird es brenzlig. Daher liegt der Fokus für Lars momentan auf dem Aufforsten.

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Mit allen Witterungen gewaschen

Um dem Stadtwald zu helfen, arbeiten Lars und seine Kolleg:innen mit Hochdruck an Forschungsprojekten und Möglichkeiten, heimische Baumarten zu unterstützen und neue Arten anzusiedeln. Die Forschung wurde in diese Richtung intensiviert und sie kooperieren mit verschiedenen Hochschulen und Instituten, wie der Goethe-Universität Frankfurt, der Freien Universität Berlin oder dem Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt. Ein Baum gibt Infos zu Wetterverhältnissen, Trockenheit und Ähnlichem in seinen Samen weiter. Daher besteht eines der Experimente darin, neben den heimischen auch sizilianische Rotbuchen vom Vulkan Ätna anzupflanzen, die dort extremer Hitze und Kälte ausgesetzt sind.

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Ein langer Atem

Außerdem mischen und probieren sie viele Baumarten, um die verschiedenen Überlebenschancen zu testen. Wie bei einem Aktienportfolio müsse man breit streuen und das Risiko diversifizieren, meint Lars. Das ist natürlich eine langwierige Sache. Ob seine Arbeit funktioniert, wird man erst in mehreren Jahrzehnten sehen. Das sei einer der typischen Punkte des Förster-Daseins: Man arbeitet meist mit dem, was der oder die Vorgänger:in auf die Beine gestellt hat. Wir hoffen angesichts der kleinen, mit bunten Stäben markierten Sprösslinge, dass Lars’ Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes Früchte trägt.

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Der schönste Skylineblick

Beeindruckt von der Ausdauer und Leidenschaft von Lars und seinem Team und mit einer nicht allzu kleinen Portion Nachdenklichkeit über die Zukunft des Waldes machen wir uns auf den Weg zu einer Besonderheit des Reviers. Für viele Frankfurt:innen werden jetzt Kindheitserinnerungen wach, denn es geht zum Monte Scherbelino. Die ehemalige Mülldeponie im Stadtwald war ein Freizeit-Paradies mit Grillplätzen, Tipizelt und Abenteuerspielplatz, bis sie in den 80er Jahren wegen austretender Giftstoffe und Gase dicht gemacht wurde. Heute ist der Berg Sperrgebiet und Umweltprojekt, in dem Schadstoffe unschädlich gemacht werden und seltene Tiere leben. Für den Forstverkehr ist der Berg freigegeben, weshalb wir gemeinsam mit Lars in den Genuss eines unvergleichbaren Blicks auf die Skyline kommen, während er uns mehr über seinen Beruf und seine Berufung erzählt.

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Abwechslung in allen Grüntönen

Trotz der klimabedingten Sorgenfalten würde Lars sich immer wieder für den Beruf des Försters entscheiden. Er ist der erste in der Familie und für ihn war seit seinem 13. Lebensjahr nach einem Praktikum klar, dass das sein Wunsch ist. Was ihm besonders gefällt, ist die Abwechslung und der praktische Ansatz, den der Beruf mit sich bringt. Vom Bauen von Bänken, Zäunen und Wegen, über die Jagd, bis hin zur Holzernte fällt alles in sein Aufgabengebiet. Sein Team und er halten Straßen frei, versorgen Brennholzkund:innen und den Waldladen, in dem es das beliebte Wildfleisch aus dem Stadtwald zu kaufen gibt. Die Jagd ist nach wie vor notwendig, denn bei dem sich rasch vermehrenden und immer hungrigen Dammwild hätte der Wald sonst keine Chance.

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Immer im Einsatz

Einen Alltag als solchen kennt Lars nicht, denn kein Tag ist wie der andere. Was sicher ist: Die Zeiten sind ähnlich wie auf dem Bauernhof – aufstehen mit den Hühnern also. Lars sitzt meist um sechs Uhr morgens am Schreibtisch (ja, auch da muss ein Förster manchmal sitzen) und bespricht um sieben Uhr den Tag mit seinem Team. Dann geht es in den Wald – je nach Saison mit anderen Schwerpunkten. Aktuell geht es viel um die Aufforstung, Züchtung und jetzt im Sommer fallen Mäh- und Schnittarbeiten an. Meist ist Lars bis zum Nachmittag im Einsatz und hat regelmäßig Rufbereitschaft. In der Jagdsaison von September bis Februar ist er dann zusätzlich unterwegs – schießt aber heute deutlich weniger Wild als früher. Das ist außerhalb der Jagdsaison fast schon aufmüpfig: „Da muss ich es vom Weg hupen“, lacht Lars. Richtig frei hat er aber irgendwie nicht. Von illegalen Rave- oder Grillpartys im Wald, über defekte Tore, verletztes Wild bis hin zu ausgesetzten oder wildernden Hunden ist eigentlich immer etwas los. Das macht den Job für Lars aber auch so spannend und er hat schon die ein oder andere kuriose Geschichte erlebt.

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Der Wald erzählt

Ein Stadtwald sei eben nochmal ein ganz eigenes Revier – hier passiert viel. „Ich könnte ein Buch schreiben“, sagt Lars. Geklaute Autos, angriffslustige Biber und eine kuriose Wanderung von Feuersalamandern im Sommer sind da noch harmlos. Hin und wieder richten sich auch Aussteiger:innen verbotenerweise häuslich ein und stören den Waldfrieden. Im Kopf bleibt Lars auch der sportliche Exhibitionist, der barfuß mehrere Polizeibeamte mit Marathonerfahrung abhängen konnte und in den Brombeeren verschwand. Ein Wermutstropfen ist für Lars allerdings der überfahrene Wolf auf der Autobahn, den er erst für einen Scherz hielt, als die Polizei ihn rief. „Das tat mir sehr leid um das Tier.“ Grundsätzlich ist der Stadtwald für ihn sehr familiär und persönlich. „Es sind vielleicht 300 Leute, die regelmäßig im Wald unterwegs sind“ – man kennt sich. Und Lars kennt den Wald: Er würde fast jede Wegstelle auf einem Foto erkennen. Trotzdem entdeckt er immer viel Neues.

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Wie man in den Wald hineinruft

Was Lars sich wünscht, ist, dass man umsichtiger miteinander und mit dem Wald umgeht. Es stünden oft Fahrradfahrer:innen gegen Hundehalter:innen oder Autofahrer:innen gegen Fahrradfahrer:innen. Er wünscht sich weniger gegeneinander und mehr Verständnis füreinander. Ein entsprechendes Verhalten im Wald, aber auch ein bewusster Konsum im Alltag sowie ein sorgsamer Umgang mit Ressourcen gehören hier dazu. Oft höre er von Frankfurter:innen angesichts der fatalen Lage des Waldes oder Klimas den Satz: „Naja, für mich reicht es noch.“ Das macht ihn traurig: „Dafür habe ich kein Verständnis.“ Wir, um ehrlich zu sein, auch nicht.

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Balsam für die Seele

Dennoch: Der Wald als Traumarbeitsplatz also? Wir möchten von Lars wissen, ob es nur uns so geht, oder ob man sich im Wald tatsächlich besser fühlt. Erwiesen sei, dass die grüne Farbe den Blutdruck senke. Außerdem sei der Wald unser ursprüngliches Habitat, nur im Haus zu bleiben ungesund. Auch kommunizieren die Bäume über einen bestimmten Duft. „Das macht etwas mit uns“, meint Lars. Und Bäume umarmen gebe bestimmt manchen Menschen etwas, ihm persönlich aber eher nicht. Spazieren gehen, Pilze sammeln, barfuß laufen – das sei ebenfalls wohltuend, und dafür sei der Stadtwald ja auch da.

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Ab in den Wald

Aber wie wird man eigentlich Förster:in oder Forstwirt:in? Das geht über ein Bachelorstudium der Forstwirtschaft oder -wissenschaft an einer Hochschule, zum Beispiel in Rottenburg oder Göttingen, wo Lars studiert hat. Oder über eine Ausbildung zum Forstwirt – auch in Frankfurt. Lars bildet selbst aus und hat gerade drei Gesellen im Team. Der Anteil der Frauen ist dabei stark gestiegen. Es kommen auch immer mehr weibliche Praktikanten. „Die Mädels können anpacken, stellen gute Fragen“, erzählt Lars. Was man mitbringen sollte, sind Naturverbundenheit und Pflichtbewusstsein. Außerdem sollte man mit Menschen umgehen können, denn die Eigentümer:innen des Stadtwalds sind im Grunde die Bürger:innen – und für sie arbeitet man.

Interessiert? Mehr Infos zur Ausbildung in der Forstwirtschaft findet Ihr hier.

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Wir steigen am Ende des Besuchs zwar entspannt, mit vielen neuen Eindrücken, aber auch sehr nachdenklich aus unserem Waldbad. Eine Frage brennt uns allerdings noch auf der Zunge, denn uns ist aufgefallen, dass Lars erstaunlicherweise keinen Hund hat. Welchen er sich gerne zulegen würde? „Einen Dackel, die haben Charakter!“

Vielen Dank für den schönen Besuch und die spannenden Einblicke, Lars!

Spannende Interviews und andere Tage in anderen Leben findet Ihr hier.

Nathalie Eirich

Gebürtig aus Darmstadt, seit mehreren Jahren Wahlfrankfurterin – und immer noch frisch verliebt in die Stadt. Leidenschaftliche Spaziergängerin, Kaffee-Trinkerin, Yogi, Tänzerin, Medienkulturwissenschaftlerin und PR-Beraterin. Kochmuffel und daher Restaurantfan. Theater- und Kunstliebhaberin. Früher Vogel oder Nachteule je nach Tagesform. Reich an Sommersprossen.

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