Piloten Titel

Ein Tag im Leben von: zwei Piloten

Was macht eigentlich den Alltag von Piloten aus? Wie sehen sie ihren Job, das Reisen und wie ihre wunderbare Homebase Frankfurt? Wir haben zwei getroffen und befragt.

GESPRÄCH UND TEXT: MARIA HAGER

FOTOS: M. HAGER, N. HIRSCHMANN

Die Deutsche Lufthansa AG ist die größte deutsche Fluggesellschaft und fliegt derzeit von ihren beiden Drehkreuzen Frankfurt und München rund 200 Ziele in 74 Ländern an. Allein 120.000 Menschen starten oder landen durchschnittlich in Frankfurt am Main mit Lufthansa jeden Tag. Aktuell sind rund 4.000 Pilotinnen und Piloten im Einsatz, die gemeinsam eine Flotte von über 350 Flugzeugen bewegen.

Dazu zählen auch Chris und Ben.



Die beiden Verkehrspiloten sind zufällig in benachbarten Vororten von Nürnberg aufgewachsen, haben sich aber erst in der Flugschule in Bremen kennengelernt. Nach dem Ende ihrer Ausbildung im Jahr 2010 sind sie wegen Beruf und Flieger-Freunden nach Frankfurt gezogen. Und haben die Stadt über all die Jahre leben und lieben gelernt. 

Pilot Ben
Pilot Chris

„Ich wollte schon als 6-jähriger Junge nach Frankfurt ziehen. Die Stadt war für mich schon damals das Tor zur großen weiten Welt, weil wir oft über Frankfurt in den Urlaub geflogen sind“,

erzählt Chris, als wir bei starkem Frankfurter Kaffee am heimischen Küchentisch zusammensitzen. Ben kam an diesem Morgen aus Hongkong und Chris aus Boston. Auch Ben fiel es nach der Ausbildung nicht schwer, seine Koffer dauerhaft in Frankfurt zu deponieren. Viele alte Freunde sind nach dem Abi sowieso nicht in Nürnberg geblieben. Außerdem war die Zeit in der Flugschule so intensiv, dass ihm die neuen Leute längst ans Herz gewachsen waren. Von den zwanzig Piloten des Ausbildungskurses stammt nur einer ursprünglich aus der Nähe von Frankfurt. Alle anderen haben sich aus den verschiedensten Ecken der Republik zunächst für anderthalb Jahre in Bremen zusammengefunden. Einige sind anschließend wieder in ihre Heimat zurückgekehrt und pendeln zum Frankfurter oder Münchner Flughafen, den Basisstationen für Lufthansa-Piloten. 

Frankfurt von oben

Das Büro mit der besten Aussicht

Die Gründe für die Berufswahl liegen irgendwie auf der Hand. Ben wollte ganz klassisch die Welt entdecken. Und auch Chris, der familiär bedingt auf der ganzen Welt zuhause ist, genießt das Leben ohne Landesgrenzen. Er bezeichnet seinen Job daher nach wie vor als Traumberuf. Kein Wunder, schließlich – und da sind sich beide einig – gibt es kein Büro mit besserer Aussicht. 

Doch zurück auf den Boden der Tatsachen: Die Fliegerei hat nicht nur schöne Aussichten zu bieten. Oft arbeiten die beiden zu Uhrzeiten, an denen die meisten Menschen schlafen. Zeitverschiebung und mehrtägige Aufenthalte ohne Freunde und Familie in fernen Ländern gehören zu jenem besonderen Alltag, den Piloten haben. Welche Opfer der Job fordert, können beide daher schnell auf den Punkt bringen: „Unser Leben ist nicht so gut planbar. Wir sind oft an Feiertagen oder Familienfeiern unterwegs, auch den eigenen Geburtstag feiern wir nicht selten allein irgendwo auf der Welt. Freunde und Familienmitglieder haben nicht immer Verständnis dafür, wenn wir auf Einladungen mal wieder nur mit einer vagen Zusage reagieren können“, erklärt Chris und Ben ergänzt: „Wir können uns nie zu Sportkursen anmelden, die beispielsweise einmal pro Woche stattfinden. Regelmäßige Termine sind für uns kaum möglich.“

Ben im Cockpit
Chris im Cockpit

Flexibilität ist Voraussetzung

Frei haben Piloten dafür oft mehrere Tage am Stück. Ben schreibt sich dann gerne To-Do-Listen, um durch die ständigen „Unterbrechungen“ seines Frankfurter Alltags nichts zu vergessen und alltägliche Aufgaben vielleicht sogar „Remote“ oder eben nach Rückkehr vom Einsatz weiter abzuarbeiten. Tatsächlich aber haben auch Piloten gewisse Routinen. „Bei uns klingelt zwar nicht jeden Morgen halb sieben der Wecker und wir starten auch nicht jeden Freitagabend mit einem Feierabendbier ins Wochenende. Aber wir haben durchaus eine gewisse Struktur im Leben. Ziemlich beständig verabreden wir uns – wenn auch in unregelmäßigen Abständen – zum gemeinsamen Tischtennis-Spielen, Fitnesstraining oder gemütlichen Essen in einem Apfelweinlokal. 

„Wenn ich nach einem langen Flug heim komme, erledige ich gerne praktische Arbeiten, wie Kochen oder Bad putzen – auch das ist ein Ritual“, erklärt Chris. 

Den Koffer von außen nach innen packen

„Ich packe meinen Koffer immer direkt wieder ein, wenn ich vom Flug komme, damit das Packen nicht jedes Mal von vorne anfängt“, ergänzt Ben. Apropos Koffer packen, Sommer ist für viele Urlaubszeit. Wer könnte jetzt also bessere Tipps auf Lager haben als zwei Piloten? „Tatsächlich sind wir Profis, was das Kofferpacken betrifft. Ich rolle meine Klamotten und packe den Koffer immer von außen nach innen ein. Das ist der effizienteste Weg, um am Ende den ungeliebten Klamottenberg im Koffer zu vermeiden, der häufig dazu führt, dass Reißverschlüsse oder gar Nähte platzen. Außerdem packe ich so leicht, wie möglich, weniger ist mehr“, erklärt Chris. Ben nutzt kleine Packsäckchen, um schnell griffbereit zu haben, was er gerade braucht –eines für Unterwäsche, eines für T-Shirts und Hosen, eines für Kleinkram. 

Cremen und trinken

Und auch für Flughafen und Flugzeug haben die beiden noch einige Tipps parat: „Gerade für den Frankfurter Flughafen empfiehlt es sich, anderthalb Stunden früher da zu sein. Auch wenn ich den Flughafen gut kenne, kann ich trotzdem keine Angabe dazu machen, wann viele und wann wenige Passagiere unterwegs sind. Das ist immer wieder eine Überraschung“, erklärt Ben. Chris ergänzt: „Ich empfehle, immer eine eigene leere Trinkflasche mitzunehmen, die man nach der Sicherheitskontrolle kostenlos auffüllen kann. Sehr viel Trinken – etwa drei Liter Wasser auf einem 8-Stunden-Flug – und insbesondere vor Langstreckenflügen immer eincremen! Außerdem sollte man alles aus den Hosentaschen direkt ins Handgepäck packen und oben drauf seinen Kulturbeutel mit den Flüssigkeiten platzieren, damit dieser an der Sicherheitskontrolle direkt griffbereit ist. Was ich auch wichtig finde, sind Kopfhörer. Podcasts oder gute Musik helfen bei Wartezeiten und gegen die Lautstärke im Flugzeug. Wenn man sich dann noch ein eigenes leckeres Essen mit an Gate oder Bord nimmt, kann die Reise nur entspannt werden.

„Im Flugzeug sitze ich übrigens am liebsten soweit vorne wie möglich, weil es dort leiser ist und nicht so sehr wackelt.”

Und Ben sitzt auf Langstreckenflügen grundsätzlich lieber am Gang, um schnell aufstehen zu können. Was ich eigentlich hier nicht schreiben durfte: dass er auch vor fast jedem Flug recherchiert, von welcher Seite im Flugzeug man im Landeanflug bessere Sicht auf die Stadt hat.

Auch im beruflichen Alltag haben Piloten tatsächlich wiederkehrende Muster. „Im Layover [dt. Zwischenstopp oder Aufenthaltsort, an dem Piloten eine gewisse Ruhezeit verbringen, bevor sie zurück zur Basis fliegen], ziehe ich mir immer zuerst Alltagskleidung an und erkunde bei einem kurzen Spaziergang die Umgebung,“ berichtet Chris. Ben hat neulich von einem Kollegen sogar einen neuen Tipp erhalten, wie er den Zwischenstopp noch angenehmer gestalten kann. „Wenn ich im Hotelzimmer angekommen bin, werfe ich zuerst alle Flyer und Werbebroschüren, die dort ausliegen in eine Schublade, damit es sich nicht so fremd anfühlt.“ 

Ben und Chris

Hessische Gemütlichkeit und internationaler Großstadtcharakter

Wir kehren gedanklich zurück nach Frankfurt. Was macht diese Stadt eigentlich lebenswert? „Anfangs fand ich einfach die Lage super, weil Frankfurt sowohl deutschlandweit, als auch weltweit die beste Erreichbarkeit hat. Ich habe Frankfurt aber erst so richtig kennen und lieben gelernt, als ich angefangen habe, hier mit dem Fahrrad unterwegs zu sein“, beschreibt Ben. Chris fügt hinzu: „Die Stadt eint hessische Gemütlichkeit mit internationalem Großstadtcharakter, das ist eine wahnsinnig tolle Kombination.“ 

„Ich habe Frankfurt als Stadt aber erst so richtig kennen und lieben gelernt, als ich angefangen habe, hier mit dem Fahrrad unterwegs zu sein.“

Im Gegensatz zu vielen Büroangestellten stehen Piloten ganz andere Möglichkeiten offen, die Stadt zu entdecken. Sie haben weder 8-Stunden-Arbeitstage, noch Wochenenden, Brücken- oder Feiertage. Die Momente, in denen Frankfurt für Chris und Ben am schönsten ist, kann man daher fast als exklusiv bezeichnen. „Ich fahre gerne nachts mit dem Rad durch die Stadt, wenn ich Jetlag habe und sowieso wach bin“, verrät Chris. Ben führt fort: „Ich genieße Frankfurt am meistens unter der Woche vormittags, wenn alle Läden leer sind. Einer der besten Zeitpunkte für einen Besuch der Wochenmärkte ist übrigens vor oder nach der Mittagspause!“ Beide treffen sich oft zum gemeinsamen Fitnesstraining im Hafenpark der EZB – natürlich auch vormittags, wenn niemand an den nagelneuen und frei zugänglichen Fitnessgeräten zugange ist. 

Übrigens lernen Piloten auch viele andere Städte auf der Welt zu diesen außergewöhnlichen Uhrzeiten kennen. Indem sie mit ihrem Schlaf-Wach-Rhythmus im Layover meistens in der deutschen Zeit bleiben, bieten sich ihnen nicht selten die besten Gelegenheiten, ausgeschlafen einen Sonnenaufgang am Strand zu erleben oder im Morgennebel mit dem SUP über einen See zu paddeln. 

Auch Piloten sind umweltbewusst

Wir machen einen Cut und sprechen über das Thema Umwelt. Natürlich ist Fliegen nicht gerade umweltfreundlich. Aber sind Piloten deshalb auch selbst totale Umweltsünder? „Wir haben schon gewisse Stellschrauben, um jeden Flug selbst etwas umweltbewusster zu gestalten“, erklärt Chris. Dann holt er weiter aus: „Das fängt bei der Bestellung des Treibstoffs an. Man kann wirtschaftlich und spritsparend fliegen, indem man sich den Sinkflug optimal ausrechnet oder in optimalen Höhen fliegt. Natürlich steht die Sicherheit dabei immer an erster Stelle. In meiner Freizeit fahre ich außerdem so gut wie nie mit dem Auto. Und ja, auch wir Piloten sind für das Nachtflugverbot und dafür, dass Kurzstrecken innerhalb Deutschlands mit der Bahn zurückgelegt werden. Schließlich wünschen wir uns auch für unsere Kinder eine gute Zukunft.“



„Der Job ist körperlich sehr anstrengend. Man ist permanent trockener Luft und Strahlung ausgesetzt, hat mit Zeitverschiebung und fehlendem Rhythmus zu kämpfen. Daher achte ich sehr darauf, mich gesund zu ernähren und kaufe wann immer möglich regionale Produkte“, berichtet Ben. Der fliegt übrigens derzeit keine Passagiere, sondern tonnenweise Obst und Gemüse aus aller Welt, teure Pferde oder Kunstwerke nach oder von Frankfurt. Bei den beiden Wahlfrankfurtern bestehen in Sachen regionaler Verbundenheit keine Zweifel. Das wird spätestens deutlich, als sie darüber sinnieren, ob der Landeanflug auf Frankfurt zu Sonnenauf- oder -untergang, im Winter am frühen Nachmittag oder in herbstlich-goldenen Abendstunden am schönsten sei.

Wenn dann der Panoramablick aus dem Cockpit auf die Skyline und den Taunus fällt und der Fluglotse mit „Ei Gude´“ begrüßt, wissen beide, dass sie am besten Reiseziel angekommen sind: in Mainhattan! 

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