22.03.2023
Schon immer da: Das Café Laumer
Was macht sie eigentlich aus, diese Institutionen im Frankfurter Stadtleben? Oft ein charmantes Äußeres, meistens eine zentrale Lage, gerne ein illustres Publikum und – natürlich – eine sehr lange Geschichte, die uns das „Eigentlich schon immer da“-Gefühl gibt. Ein Traditionsladen, der all das auf sich vereint und es mit Kindheitserinnerungen und einer prall gefüllten Theke an wunderbarem Kuchen toppt, ist das Café Laumer im Westend.
Bockenheimer Landstraße 67 | Frankfurt Westend | @cafe_laumer
Seit mehr als 100 Jahren markiert die sonnengelbe Gründerzeit-Villa mit dem Türmchen und der schmiedeeisernen Eckveranda vorbeieilenden Frankfurter:innen zuverlässig den halben Weg von der Alten Oper zur Bockenheimer Warte. 1919 eröffnet, hat das Laumer eine sehr bewegte Geschichte hinter sich, die sein besonderes Flair aus-, und das Café so beliebt macht. Sommer wie Winter steigen Gäste hoffnungsvoll mit dem Ausblick auf Milchkaffee und Engadiner Nusstorte die Sandsteintreppe hinauf und lassen sich verzaubern.
Etwas Wiener Schmäh
Die Zeitreise beginnt direkt beim Betreten des kleinen runden Vorraums, der durch Vitrinen mit Torten, Croissants und antiken Backutensilien den Blick auf die holzgetäfelten Gasträume freigibt. Kleine Marmortische, Kronleuchter und Spiegel versprühen den Charme eines Wiener Kaffeehauses und machen das Ambiente im „Grand Café Frankfurt“ – wie uns die Fußmatten verraten – so gemütlich wie stilvoll.
Liebe auf den ersten Blick
Es ist dieses gewisse Etwas, in das sich auch Inhaber Dimitrios Kalyvas sofort verliebt hat. Bei seinem ersten Besuch im Laumer stand sogar noch ein Flügel in der Ecke, erinnert er sich. 2017 hat er das Café übernommen, nachdem er lange Zeit ein Restaurant am Opernplatz geführt hat. Der Anfang sei schwer gewesen, doch manchmal müsse man einfach „Tag und Nacht zur Schürze greifen und Gas geben“. Heute ist das Laumer beliebte Anlaufstelle für ältere und junge Frankfurter:innen, für Nachbar:innen aus dem Westend, Besucher:innen aus dem Palmengarten oder Grüneburgpark und Messegäste.
Raum zum Wohlfühlen
Frühstück (von „Paris“ bis „Frankfurt“), Mittagessen (von Rumpsteak bis Spaghetti all'Arrabbiata), Kaffee und Kuchen – es wartet das gesamte kulinarische Verwöhnpaket. Die Küche ist gutbürgerlich, nicht zu fein, zum Wohlfühlen. Anerkennende Anmerkung der Redaktion: Mit verschiedenen Milchalternativen kommt wirklich jeder Kaffeefan in den Genuss des ausgesprochen leckeren Cappuccinos. Die Kuchen, Törtchen und Stückchen stammen allesamt aus der hauseigenen Backstube. Als kulturelle Kirsche auf der Torte können Gäste auch Werke der wechselnden Ausstellung im Gastraum erstehen.
Zwischen Marx und Mokka
Dass es nicht immer so harmonisch zuging, zeigt sich bei einem Blick auf die turbulente Vergangenheit des Café Laumer. Schon ab den Zwanzigern war es Treffpunkt für linke Intellektuelle der Goethe Universität und für studentische Widerstandsgruppen im Dritten Reich. Niemand Geringeres als die Sozialphilosophen der Frankfurter Schule, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer oder Jürgen Habermas, stritten mit Gegenspieler:innen über Soziologie. Auch Helmut Kohl zählte in seiner Studienzeit zu den Gästen und während der Studentenproteste der 68er-Generation spielte das Café als Treffpunkt ebenfalls eine spannende Rolle – mit teilweise tumultartigen Szenen.
Die neue Gemütlichkeit
Die wilden Zeiten des beschaulichen Ladens machen sich heute lediglich in Frühstücksvariationen wie „Horkheimer“ bemerkbar, deren leckere Mischung aus Bratkartoffeln, Speck, Schafskäse und Eiern weitaus behaglicher ohne Streit und Verschwörung daherkommt. Was geblieben ist? Das geschichtsträchtige Flair, das große Denker:innen hinterlassen, gepaart mit einer stilvollen Gemütlichkeit, die soviel mehr bietet als das klassisch-verschriene Senioren-Café. Fazit: Wir kommen wieder und haben ab sofort eine feste Station auf der Bockenheimer Landstraße für den Heimweg unseres (Sonntags-)Spaziergangs.