17.07.2020
So wohne ich: Die WG in Sachsenhausen
Das Museumsufer mit dem Yachtklub und dem Dönerboot, das Schweizer Straßenfest, das Brückenviertel, der Stadtwald und natürlich der Blick auf die Skyline – Sachsenhausen ist zwar Dribbdebach, aber es kann in vielerlei Hinsicht locker mit Bornheim und dem Nordend mithalten. Wer auch mal links und rechts der Schweizer Straße sucht, der findet hier ganz besondere Ecken, Menschen und Lebenskonzepte. Wie das von Janine, Lisanne und Fabian. Wir haben sie in ihrer Dreier-WG besucht.
„Sachsenhausen ist ein kleines Dorf in einer Großstadt und deshalb lieben wir es“, sagen Lisanne, Fabian und Janine. Die drei wohnen seit April in einer Drei-Zimmer-Altbauwohnung zwischen Südbahnhof, Schweizer Straße und Oppenheimer Landstraße. Mitten im Geschehen und trotzdem ruhig und nachbarschaftlich.
Das Haus ist schon auf den ersten ein Hingucker: Im Treppenhaus bestaune ich die hohen Decken mit Stuck und das Blumengemälde an der Decke. Eine charmant knarzende Treppe führt uns hinauf in den dritten Stock, in dem die drei schon mit erwartungsvollen Gesichtern an der Wohnungstür auf uns warten.
Drei Zimmer, Küche, Mini-Bad
Die Wohnung ist sehr hell und zu meiner Verwunderung vor allem blitzblank. Ich dachte nämlich immer, in den meisten WG’s herrscht Chaos…Vom großen Flur führen drei Zimmer ab – das Wohnzimmer und zwei Schlafzimmer, von denen eins mit einem kleinen Balkon ausgestattet ist. Aus der großen Küche blicke ich in den idyllischen Hinterhof und stelle mir vor, wie die Drei an warmen Sommerabenden unten im Garten zusammensitzen. Ich kann jetzt schon mit Überzeugung sagen: Die Wohnung ist ein Traum, ich würde sofort einziehen! Für Menschen mit Platzangst oder für alle, die über 1,90 cm groß sind, könnte nur eines zum Problem werden – das WC. Denn das ist so schmal, dass Bewegung eigentlich unmöglich ist. Aber das nimmt man bei so einer Wohnung doch gerne in Kauf…
Die ganze Welt in einem Wohnzimmer
Fabian führt uns ins Wohnzimmer und ich kann meine Begeisterung kaum zurückhalten, denn es ist schlichtweg einfach unfassbar gemütlich. Die tannengrüne Wand passt perfekt zu dem deckenhohen braunen 70er Jahre Regal und dem breiten hölzernen Esstisch. „In unserer Wohnung erzählt jedes Stück seine eigene Geschichte“, sagt Lisanne und zeigt auf das große Regal – ein Erbstück ihres Großonkels. Zusammen mit einer Gitarre in der einen Ecke, der Monstera Pflanze in der anderen und den langen grauen Vorhängen, wirkt die Einrichtung perfekt aufeinander abgestimmt – gemütlich, ohne vollgestopft zu sein. „Wir wollen einen Lebensraum schaffen, keinen Ausstellungsraum!“, betont Fabian.
Alle drei sind viel gereist und haben Möbel und Accessoires aus der ganzen Welt nach Hause mitgebracht und hier vereint. Topflappen aus Buenos Aires, Schalen aus Afrika oder das Schuhregal von der Straße in Niederrad – jedes Stück ist ein Unikat. „Wir mixen hier unsere eigenen Stile und schauen, was dabei rauskommt“, sagt Janine. Sie ist für Kerzen und Deko verantwortlich, während Fabian die Bilder aussucht (wie auch unser Frankfurt Poster) und mit Pflanzen für exotische Gemütlichkeit sorgt. Das Wohnzimmer ist für die Drei auch der wichtigste Raum in der Wohnung: „Unser Leben spielt sich im Wohnzimmer ab. Egal ob spontaner Brunch, ein Spieleabend oder der Besuch von Freunden – wir wollen hier alle an unserer Gemeinschaft teilhaben lassen. Deshalb brauchen wir auch kein künstliches Entertainment wie einen Fernseher“, sagt Fabian und die Mädels nicken.
Die WG als Lebenskonzept
Dass Lisanne und Fabian verheiratet sind, wäre mir nicht aufgefallen, hätte Janine es nicht ganz nebenbei erwähnt. Nach meiner überraschten Reaktion und der Frage, wie es denn sei, mit einem verheirateten Pärchen zusammenzuwohnen, sagt sie nur gelassen: „Wir vergessen manchmal alle, dass die beiden verheiratet sind, es ist total entspannt“. Das glaube ich ihr sofort. Lisanne und Fabian strahlen seit der ersten Minute, in der wir hier sind, eine enorme Gelassenheit und Offenheit aus. „Das soll unser Lebensmodell sein“, sagt Fabian. „Wir wollen offen für Menschen und Begegnungen sein, sonst rostet man schnell ein. Eine dritte Person in der Wohnung macht den Alltag aufregender und es klappt total gut mit Janine“.
Fabian möchte sein Leben mit anderen teilen, auch wenn das heißt Kompromisse zu finden. „Das hält frisch und fluffig“, lacht er und schaut in Lisannes Richtung, die überzeugend nickt. „Ich fühle mich so wohl hier in dieser Wohnung mit Janine und Fabian, wie noch nie zuvor.“ Vorher haben die Sprachtherapeutin und der Medizinstudent mit einer anderen Mitbewohnerin im ersten Stock hier im Haus gewohnt. Das lief allerdings nicht so rund. „Bei einer WG kommt es zu hundert Prozent auf die Menschen an. Wenn die Chemie stimmt, dann kann es sehr inspirierend sein. Wenn nicht, dann sollte man etwas verändern“.
Das Dorf in der Großstadt
Fabian studiert Medizin an der Uni in Frankfurt und kommt genau wie Lisanne aus Aschaffenburg. Als sie nach Frankfurt kamen, haben sie zusammen in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Niederrad gewohnt. „Das war echt schön, aber natürlich auch sehr eng“, sagt Fabian und lächelt. Warum es dann letztendlich Sachsenhausen geworden ist, ist für alle drei ganz klar zu beantworten: Die Lage und auch die Nachbarschaft.
„Für mich ist Sachsenhausen das kleine Paris“, lacht Janine. „Wenn ich morgens mit dem Fahrrad in Richtung Bankenviertel fahre, alles noch ruhig ist und die Sonne scheint, dann fühlt es sich ein bisschen an wie auf der Champ Élysées. Es ist für mich ein Zuhause geworden“. Dass sich die 29-jährige Country Managerin in Frankfurt so wohlfühlt, ist für sie nicht selbstverständlich. Denn nach Stationen wie Berlin, Paris, Kalifornien, Südafrika, London, München und dem Bodensee, hatte sie nach einigen Monaten immer den Drang, wieder umzuziehen. „Frankfurt ist die erste Stadt seit zehn Jahren, in der ich mich sehr wohlfühle“. Mit Lisanne und Fabian hat sie offensichtlich die perfekten WG Partner gefunden. „Es ist super entspannt und dynamisch. Jeder Tag ist verschieden und es ist immer etwas los. Für mich wäre es das Schlimmste, wenn jeder Tag gleich wäre“.
„Voll“, nickt Lisanne zustimmend. Sie ist genau wie ihr Mann Fabian fest davon überzeugt, dass eine WG mehr bedeutet, als sich nur die Miete zu teilen. Für sie ist es ein Lebenskonzept. „Ich liebe teilen, ich brauche nicht mein Eigenes. Für mich ist Eigentum nur unnötiges Horten, ich möchte teilen, was ich habe. Egal ob Wohnraum, Auto, Werkzeuge oder Gesellschaft“.
Und das klappt in Sachsenhausen sehr gut, zum Beispiel mit der Tausch-App oder man stellt einfach aussortierte Sachen zum Verschenken auf die Fensterbank. „Die Sachsenhäuser sind sehr offen und hilfsbereit“, sagt Fabian. „Sachsenhausen ist wie ein kleines Dorf in einer großen Stadt. Man kennt sich hier, das ist schön und familiär“.
Was die Drei an Sachsenhausen allerdings gar nicht mögen, ist das Schweizer Straßenfest. Sachsenhausen bietet auf den zweiten Blick viel mehr als das, finden sie.
„Ich liebe das Brückenviertel und die Oppenheimer Landstraße erinnert uns an unsere Lieblingsstraße in Buenos Aires. Außerdem haben wir unsere gesamte Hochzeit hier in Sachsenhausen geplant und veranstaltet“, sagt Lisanne und auch Janine ist überzeugt: „Sachsenhausen wird zu Unrecht unterschätzt, es ist so toll hier, viel besser als im gehypten Nordend“. Auf die Frage, ob sie mal wegziehen wollen, schütteln alle energisch den Kopf. Ihr Motto: Lieber eine geile Wohnung in der Stadt, anstatt ein großes Haus im Nirgendwo, da sind sich alle einig. „Ich brauche das Geräusch der Straßenbahn, sonst werde ich nervös, wenn es so ruhig ist“, lacht Fabian.
Nach dem Interview laufe ich noch einmal durch die Wohnung und höre Janine, Lisanne und Fabian um Wohnzimmer lachen. Ich finde ihre Einstellung über Gemeinschaft, das Leben und Materialismus sehr inspirierend und aufregend. Man merkt, die drei haben sich gesucht und gefunden. Der Vibe in dieser Wohnung ist ansteckend und ich möchte mich am liebsten direkt auf die Suche nach einer WG in Sachsenhausen machen. Aber nur Altbau und nur mit so coolen Mitbewohnern wie Janine, Lisanne und Fabian!
Ein Beitrag vom Team.