18.08.2020
Eine Welt aus Ton: Zu Besuch bei Viola Beuscher
Wer einmal eine von Violas Tassen in der Hand hatte – und in vielen Restaurants und Cafés in Frankfurt kann das der Fall sein – der spürt sofort, dass es sich um etwas Besonderes handelt und die Haptik bleibt in Erinnerung. Wer Viola persönlich begegnet, spürt ihre Begeisterung auf Anhieb – und auch die wirkt lange nach.
Wir durften Viola Beuscher in ihrem Atelier mitten in der Taunusstraße besuchen. Umgeben von ihren Werken sprechen wir über das Selbstständigwerden und -sein, über Ton und lange Arbeitstage. Und über die neueste Edition, die sie in Zusammenarbeit mit Catrin von Pigmentfloristik herausgebracht hat.
FOTOS: JONAS REUTER
Wir tauchen ein in die beruhigende grau-beige Welt, die Viola jeden Tag umgibt. Ihre „Bubble“, wie sie das Atelier grinsend nennt. Der Raum ist klein und voll – „zu klein und zu voll“ sagt Viola dann auch gleich. Ein größeres wäre dringend nötig, um mehr Raum zu haben für all die Werkzeuge, das Material und die vielen Stücke. Im Bahnhofsviertel darf es aber gern bleiben.
Viola hat 2016 mit ihrem Handwerk begonnen. Schnell und mehr oder weniger ungeplant wurden ihre Stücke aus Ton in Frankfurt und darüber hinaus bekannt. Viele Gastronomen wollten bald ihr Geschirr, um ihre Speisen und Getränke zu inszenieren. Der Erfolg kam überraschend.
Wir haben viele Fragen an sie. Wir fangen mit dem „Davor“ und „Wie kam’s“ an:
Was hast du eigentlich vorher gemacht?
„Ich habe in Wien Journalismus, Politik und Literatur studiert. Nebenbei habe ich als Flugbegleiterin mein Studium finanziert.“ Also etwas ganz anderes. Ist doch immer wieder verrückt, wie das Leben manchmal eine ganz andere Richtung einschlägt. Das Hobby Töpfern wurde vor ein paar Jahren durch eine geschenkte Töpferscheibe schnell zu mehr. Viola brachte sich die Arbeit mit Ton und Scheibe immer weiter selbst bei. Und nun, wenige Jahre später begegnen euch Violas handgefertigte Stücke in Frankfurt unter anderem bei mehlwassersalz, EspressoEspresso, im Leuchtendroter und beim Café No. 48. Aber auch in Mannheim, Berlin, München, Nürnberg und Hamburg sind ihre Werke schon vertreten.
Die vielen Aufträge müssen ja auch abgearbeitet werden. Machst du alles alleine?
„Ich habe alleine angefangen. Dann kam sehr bald schon ein gastronomischer Auftrag nach dem anderen. Bis vergangenen Herbst habe ich alles organisatorische allein gemacht – primär nachts, denn tagsüber habe ich ja getöpfert… Zum Glück wurde dann Philip, mein Lebens- und Geschäftspartner, Teil des Teams. Er erledigt nun alles Mögliche: Die Mails, den Kundenkontakt und die Materialbestellungen. Die kreative Konzeption und die Kundenberatung mache weiterhin ich. Wir erstellen ja für jeden Kunden individuelle Konzepte für sozusagen schon bestehende Konzepte, sei es ein Laden oder eine Gastronomie oder auch Privatpersonen. Und Social Media, das mache auch ich.
Lili ist meine Assistentin und arbeitet mir sozusagen zu. Sie kümmert sich ums Glasieren und um das Abwiegen des Tons. Wenn ich zum Beispiel 400 Becher machen muss, muss ich ja auch 400 Mal den benötigten Ton genau abwiegen.“ Mehr Teammitglieder sollen es erstmal nicht werden. „So ist es total schön gerade. Ich wünsche mir eher, dass wir im Team in den nächsten Jahren wachsen – mehr aneinander wachsen. Damit wir der Lili zum Beispiel noch mehr Aufgaben geben können und sie dann voll der Pro wird.“
Ich liebe so sehr was ich mache und deswegen hänge ich hier voll gerne rum.
Wie sieht so ein typischer Tag aus? Womit fängst du an?
„Ich denke immer, es wär cool um 8 im Atelier zu sein. Aber da wir immer bis spät arbeiten, ist es dann eben auch am nächsten Tag etwas später. Ich bin also um 9 hier. Und dann lasse ich mir die Zeit bis um 10 – um stumpfsinnige Dinge zu machen, Sachen zu ordnen oder ähnliches. Kein Mitarbeiter ist dann da. Ich will einfach alleine in Ruhe in den Tag starten und alles organisieren. Um 10 kommen die anderen. Ich will zuerst wissen, wie es jedem geht. Was ist gerade in deren Leben los? Das ist mir wichtig. Dann erst machen wir gemeinsam ein Briefing und planen den Tag. “
Und dann geht es an die Arbeit, das heißt: an die Töpferscheibe. Zwischendurch kommen dann immer mal Anrufe. „Mittags essen wir dann immer alle zusammen. Das tut gut, weil man mal über andere Sachen redet und herausgerissen wird aus den Arbeitsgedanken. Das liebe ich total.“
Dann folgen weitere Stunden „drehen“. Und ein Spaziergang am frühen Abend, bevor es erneut an der Scheibe weitergeht. „Ich arbeite meistens bis 22, 23 Uhr. Ich weiß, dass das krass ist. Manchmal kann ich das auch nicht. Aber ich habe so viel Freude an meiner Arbeit und daran, all das weiter voranzutreiben. Und ich liebe es, neue Ideen auszuprobieren und umzusetzen und mir neues beizubringen. Ich bin aber auch gerne zu Hause und habe mir angewöhnt, den Sonntag frei zu machen. Das ist DIE Errungenschaft 2020.“ (sie lacht)
„Mit der Entscheidung mich selbstständig zu machen ist auch einher gegangen das jetzt so richtig – zu 100% – zu machen. Und Handwerk ist jetzt auch nichts, womit man viel Geld verdient. Du wirst mit Handwerk immer nur gerade so leben können, deswegen muss man es auch sehr lieben….“
Unser Fotograf Jonas fischt währenddessen verunglückte Stücke aus dem Müllsack. „Du kannst das zerdrücken und weiter kaputtmachen, das macht voll Spaß!“, ruft Viola ihm zu.
Wie hört der Tag auf?
„Ich räume auf. Dann habe ich ein Buch, in das ich zwei Learnings vom Tag hineinschreibe. Wenn ich an dem Tag wütend war, schaue ich: Warum war ich wütend? Außerdem notiere ich meine Bedürfnisse – die aus genau diesem Moment. Und ich schreibe auf, was ich an diesem Tag geschafft habe. Dann bereite ich den kommenden Tag noch vor, sonst kann ich nachts nicht schlafen.“
Man kann mit Ton einfach so geile Sachen machen.
Welches Produkt ist am schwierigsten herzustellen?
Die Antwort kommt sofort, noch während wir fragen: „Teller! Man kann sagen: beim Töpfern sind alle Teile schwierig, die sehr hoch sind. Alles höher als 25 cm ist eine Herausforderung, was den Kraftaufwand und was die Gleichmäßigkeit des Produkts angeht. Und Teller! Das hat mit den Teilchen und ihrer Anordnung im Ton zu tun. Bei einer so großen Fläche, die unter Spannung steht, reisst der Ton oft. Dann werden die Teller wellig und sie kippeln. Teller sind einfach sauschwer. Viele Keramiker machen deshalb einfach keine. (lacht)
Wie lange dauert es denn, wenn jetzt eine Gastronomie zum Beispiel 100 Teller will?
„Ungefähr 6 Wochen, da mache ich aber auch andere Sachen nebenher. Oft ist auch die Lagerung das Problem. Oder einfache Faktoren wie die Kraft. Ein Teller besteht aus 2kg Ton, ein Becher ist da leichter zu machen.“
Viola wühlt in einer Kiste und zeigt uns diverse kuriose Stücke.
„Viele Gastronomien möchten auch gar nicht mehr so klassische Teller haben. Gerade die gehobene Gastronomie hat oft wenige und kleine Tische. Die wollen manchmal alles komplett crazy shit.“ (lacht) Da kommt dann sowas zustande. Die wollen dann, dass du am besten noch was anfackelst, Plastik darüber laufen lässt und dann noch eine Mulde reinmachst, in die sie dann ihre Speisen setzen. Aber das finde ich auch ganz geil, da kann man so kreativ sein.“
Was hat es mit der neuen gemeinsamen Edition mit Pigmentfloristik auf sich?
„Catrin [von Pigmentfloristik] ist ja sehr präsent in der Stadt. Wir sind uns über viele verschiedenen Ecken ständig begegnet. Verschiedene Gastronomen haben dann immer wieder gesagt: ja, nun, telefoniert euch doch mal zusammen und macht was gemeinsam! So haben wir uns immer mehr angefreundet. Gerade in der Coronazeit war Catrin dann auch jemand, bei dem ich mir Rat geholt habe.“
Nachdem der Violas Onlineshop violabeuscherceramics.com neu gelauncht war, sollte es immer eine „Basic“-Linie geben, die ein Jahr bleibt und eine „Edition“, bei der Viola „sich ausleben, crazy sein und neue Sachen ausprobieren kann“.
„Dann sagte Catrin: ‚jetzt ist keine Hochzeitssaison, ich habe etwas Zeit, du hast Zeit wegen Corona, lass uns was zusammen machen!‘ Und dann haben wir uns Vasen und die passenden Blumen dazu überlegt.“
Catrin schaut dann auch noch im Atelier vorbei. Man merkt gleich: die beiden harmonieren perfekt, genau wie ihre Produkte.
„Solche Zusammenarbeiten schätze ich sehr. Wie viel man lernt von anderen Leuten! Das ist auch etwas was es in Frankfurt im Extrem gibt: Es gibt einerseits Leute, die sehr offen sind, die gerne etwas mit anderen teilen und anderseits Leute, die ‚unantastbar‘ sind. Ich will dafür plädieren, mehr zusammenzuarbeiten. Sich Rat zu holen. Und ich will, dass es endlich mal normal wird, um Hilfe zu bitten.“
Wie wahr! Vielen Dank, Viola, für den Einblick in deine schöne Bubble!